Allgemeines zum Ablauf der mündlichen HPP Überprüfung vor dem Gesundheitsamt“
In der Regel findet die mündliche Prüfung vor einer Prüfungskommission statt, die meist aus drei Prüfern besteht:
Amtsarzt/Amtsärztin (per Gesetz vorgeschrieben)
Psychiater(in) oder psychologische(r) Psychotherapeut(in)
Heilpraktiker(in) für Psychotherapie (meist für das Protokoll zuständig)
Einige Prüfungsämter fragen einfach nur Fachwissen ab – das solltest Du im Vorfeld mit Deinem Ausbildungsinstitut oder in Gesprächen mit ehemaligen Prüflingen klären. Einige Protokolle von Prüfungen, in denen nur Wissen abgefragt wird, findest Du in meinem Buch Heilpraktiker für Psychotherapie – Mündliche Prüfung.
In den meisten Bundesländern wird Dir jedoch nach einer kurzen Vorstellungsrunde („Wie haben Sie sich auf die Prüfung vorbereitet“ – „Mit welchen Menschen und mit welcher Therapie wollen Sie später arbeiten“ etc.) eine Fallgeschichte vorgelegt, anhand derer Du Deine diagnostischen Fähigkeiten unter Beweis stellen sollst. Nahezu immer folgt darauf irgendwann die Frage: „Arbeiten Sie mit dem Mann/der Frau“. Meist ist die Antwort darauf z.B.: „Bei einer Angststörung/Phobie/depressiven Störung/Essstörung etc. hat sich die VT bewährt, ich werde den Mann/die Frau motivieren, sich in Behandlung eines Verhaltenstherapeuten zu begeben.“ Oder:
„Eine Schizophrenie/Manie/schwere depressive Episode wird mit Medikamenten behandelt. Ich werde meinen Klienten bitten, sich in psychiatrische Behandlung zu begeben.“ Oder:
„Die Frau hat eine PTBS. Eine PTBS wird in der Regel mit Traumatherapie behandelt. Ich werde die Frau deshalb motivieren, sich bei einem Traumatherapeuten/EMDR-Therapeuten Hilfe zu holen.“
Bei der Diagnosefindung genügt es meist nicht, EINE wahrscheinliche Diagnose zu stellen – in neuerer Zeit wollen die Prüfer, dass Du im Rahmen einer differenzialdiagnostischen Vorgehensweise Querverbindungen zu anderen Störungen herstellst . Wie das im Einzelnen aussehen kann, findest Du in folgenden Beispielen.
Differenzialdiagnostisches Vorgehen
Die Prüfer sind meist Ärzte mit Klinikerfahrung. In der ärztlichen Praxis bzw. Klinik gilt: Der Arzt stellt eine wahrscheinliche Diagnose = Verdachtsdiagnose (VD), die erst dann gültig ist, wenn alle anderen möglichen Diagnosen = Differenzialdiagnosen (DD) ausgeschlossen werden können. In der mündlichen Prüfung haben die Prüfer dieselbe Vorgehensweise im Kopf, nämlich:
- Was ist die wahrscheinlichste Diagnose (= Verdachtsdiagnose). Variante: „Was denken Sie hat der Mann/die Frau?“
- Was sind Ihre differenzialdiagnostischen Überlegungen? Hier sind auch Störungen zu nennen, die „weit hergeholt“ erscheinen, trotzdem durch Nachfragen geklärt werden müssen.
- Ganz wichtig! In der Regel kehrst Du zu Deiner ersten Diagnose zurück: Nach Ausschluss der Differenzialdiagnosen wird aus der Verdachtsdiagnose nun die endgültigen Diagnose
- Ausnahme: Du hast dich in der Verdachtsdiagnose geirrt. Dann ersetzt Du sie durch eine der Differenzialdiagnosen – natürlich mit einer entsprechenden logischen Begründung
Differenzialdiagnosen: Beispiele
Beispiel 1: Prüfer: Jemand hat immer wieder Panikattacken. Welche körperlichen Erkrankungen müssten Sie zuallererst durch weitere Fragen ausschließen?
- Hyperthyreose
- Hypoglykämie
- Koronare Herzkrankheit (z.B. Anina pectoris)
- Asthma bronchiale
- Epilepsie
- Entzugssyndrom von Benzos, Alkohol, etc.
Prüfer: Wenn Sie eine körperliche Verursachung ausgeschlossen haben: Welche psychischen Erkrankungen müssten Sie durch weitere Fragen abklären?
- Panikstörung
- Agoraphobie
- Herzangstsyndrom
- soziale Phobie
- Klaustrophobie
- Akrophobie
Beispiel 2: Prüfer: Jemand kommt stark untergewichtig in Ihre Praxis. Welche körperlichen Ursachen müssten Sie vorweg abklären, bevor Sie die Diagnose „Magersucht“ in Betracht ziehen:
- Kolitis ulcerosa
- Morbus Crohn
- Unverträglichkeit von Nahrungsmitteln
- Hyperthyreose
- Krebserkrankung
Weitere Beispiele hierfür sind Thema des eintägigen Workshops Wie bestehe ich die mündliche Prüfung am 26. März und 22. Oktober 2023 (10.00-18.00 Uhr). Kursleiter ist Walter Hiemer.
Werde ich in der „Mündlichen“ nach einer Ausbildung in Psychotherapie gefragt?
Meist Ja! Immer wieder wird uns berichtet, man brauche für die Prüfung keine psychotherapeutische Ausbildung. Dies ist allein schon durch die Gesetzesvorlage nicht gegeben, wo es heisst: Der Prüfling muss überdies „die Befähigung besitzen, Patienten entsprechend der Diagnose psychotherapeutisch zu behandeln“ und fähig sein, mit seiner Art von Psychotherapie „therapeutisch auf den Befund so zu reagieren, dass der Patient durch die konkrete Behandlung keinen gesundheitlichen Schaden erleidet„. Dies ohne eine Ausbildung in Psychotherapie zu gewährleisten wäre realitätsfremd. Behauptungen, man brauche für den „HP-Psych“ keine Psychotherapieausbildung widersprechen den gesetzlichen Vorgaben und Bedingungen des oben zitierten Urteils (BVerwG 3 C 34.90 vom 31.01.93).
Manche Prüfungsämter (z.B. In München, Augsburg, Landshut) sind in dieser Hinsicht eher großzügig: Wenn jemand z.B. eine Ausbildung begonnen, aber noch nicht abgeschlossen hat, wird dies meist akzeptiert. Manche Prüfer geben sich auch zufrieden, wenn der Prüfling „glaubwürdig versichert“, dass er/sie nach bestandener Prüfung bei der HP-Schule XY eine Ausbildung in **-Therapie absolvieren wird.
Einen Überblick über mögliche Therapieformen findet Ihr unter meinem Beitrag Mit welcher Psychotherapie will ich später in eigener Praxis arbeiten?